Bei einer Wanderung auf einigen Etappen des Eifelsteiges war das Kloster Steinfeld ein Etappenziel. Im dortigen Klosterladen fiel mir ein Buch in die Hände, das ich fast zwei Jahr später erst, gelesen habe. Dies zu einer Zeit, als ich mich bereits einige Male zu einer Ausbildung im Kloster Steinfeld aufgehalten habe und Erfahrung mit dem dortigen Labyrinth machen konnte. Die nachfolgende Betrachtung ist dort entstanden.

Das Buch

Gernot Candolini, geboren 1959, Biologe, Lehrer, Labyrinth-Bauer, Fotograf und Autor aus Innsbruck schrieb das Buch Wendepunkte des Lebens, mit dem Untertitel Dem eigenen Weg vertrauen. Aus diesem Buch, das im Claudius Verlag München erschienen ist (www.claudius.de), möchte ich zitieren und zum Nachdenken anregen.

Der eigene Weg – eine Betrachtung


Einleitung. Im Labyrinth des Lebens.
Gernot Candolini beginnt mit der Beschreibung seiner Herangehensweise. „Als ich vor etlichen Jahren mit 70 Männern auf einem Gutshof in der Toskana im Kreis um ein ebenerdiges Labyrinth stand, geschah etwas Besonderes. Wir hatten ausgemacht, dass jeder in der Runde eine wesentliche Wendung seines Lebens erzählen würde. Nie zuvor hatte ich in einer solchen Intensität und Dichte am Leben so vieler Menschen teilgenommen. Es wurde von Geburten erzählt, von Hochzeiten, Trennungen, Unfällen, Krankheiten und Tod, von spirituellen Aufbrüchen und wichtigen Entscheidungen. Manche Wendungen entsprangen gewollten Schritten, viele ereigneten sich überraschend und ungeplant…….

Wir erlebten, wie alle auf Wegen unterwegs sind, die sich wenden und doch weiterführen, und dass gerade in den Wendungen oft die wesentlichen Kraftquellen für das Weitergehen liegen.


Für Gernot Candolini ist das Labyrinth Symbol und gleichzeitig Weg zum Mitteilen und Teilen von Wendungen. Er möchte uns darin bestärken, dem eigenen Weg zu vertrauen. Das Labyrinth ist Bild und Metapher, es ist kein Irrgarten, sondern das Angebot eines Weges zum Schönen, Wertvollen und Guten. Er zitiert die Aussage von Hermann Kern (1941-1985, ehemaliger Direktor des Münchner Hauses der Kunst und ´Herr der Labyrinthe´ genannt: Im Labyrinth verliert man sich nicht, man findet sich. Im Labyrinth begegnet man nicht dem Minotaurus, sondern sich selbst.

Die große Krise in der Mitte.

Gernot Candolini schreibt: …In irgendeiner Form erleben fast alle Menschen in der Lebensmitte eine tiefe Krise…eines Morgens erwacht man und weiß: So das war´s, jetzt wirst du alt….Ab jetzt liegen die Dinge hinter dir, die bislang immer vor dir waren…Meine Positionen, meine Beziehungen, meine Arbeit, alles steht in Frage.Gerade in dieser Krisensituation hilft die Beschäftigung mit Fragen weiter, die Gewinnung und Auseinandersetzung mit Veränderungen und neuen Perspektiven. In diesen Wendungen zu veränderten Prioritäten, neuen Blickwinkeln, neuen Ausrichtungen liegt die Chance und Kraft des sich verändernden Lebens.

Gernot Candolini führt auch konkret und beispielhaft solche neuen Ausrichtungen an: Bedeutung der Familie, Freundschaften, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu Körper und eigener Seele. Mit einem schönen Bild beschreibt er beispielhaft:. „Für den nächsten Abschnitt der Lebensreise muss der Rucksack neu gepackt werden. Er enthält jetzt auch Dinge, die man bislang für entbehrlich gehalten hat. Manche Menschen gehen auf Pilgerfahrt oder treten einem Chor bei, buchen ein Theaterabonnement oder beginnen eine Zusatzausbildung…widmen sich einer neuen Sportart. Sie lassen aber auch los und bringen manche Aspekte ihres Lebens zu Ende. Dafür steht auch das Steinfelder Kreuz, an dem und auf dem Besucher des Labyrinthes ihren ´ganz persönlichen Stein´ ablegen.

Ruhestand.

Der Übergang in den Dritten Lebensabschnitt, in den Ruhestand, ist ein wesentlicher Wendepunkt im Leben. Die Bedeutung in dem Meistern dieses Abschnittes liegt darin, wie es dem Einzelnen gelingt, sich neu auszurichten. Zwei Aspekte stehen sich gegenüber  Gefahr, diesen Übergang nicht zu meistern, ohne Loslassen zu können, am Altern festzuhalten, ohne dass daraus Zufriedenheit erfolgt. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Nutzung der eigenen Freiheit zur neuen Gestaltung des Lebens, zum Beispiel darin, Dinge zu tun, die bisher vernachlässigt wurden, aber dennoch attraktiv erscheinen. Dies geschieht in Themenfeldern wie körperlicher Betätigung, im sozialen Bereich und Schaffen oder Vertiefen von Beziehungen, in dem Begehen von Wegen zum Ausbau der spirituellen Erfahrung.

Gernot Candolini schreibt: Jede große Schwelle im Leben lädt ein, innezuhalten und zunächst zurückzuschauen. Der Schritt zurück, Rückblick und Erinnerung geben der Wendung nach vorne Tiefe und Fundament….An jeder Schwelle eröffnet sich ein neuer Raum mit all seinen neuen Farben, Bildern, Geschichten, Ängsten und Hoffnungen.

Schöpferkraft - Ankommen und Aufbrechen.

Gernot Candolini schreibt: „Das Labyrinth ist ein gutes Bild für die Entwicklung des menschlichen Lebensweges. Das ursprüngliche Labyrinth ist gerade kein Irrgarten, dessen Abzweigungen ständig Entscheidungen erfordern und in dem das Grundgefühl der Unsicherheit und Angst vorherrscht. Das Labyrinth hat nur einen Weg, Verschlungen und voller Wendungen umkreist er zuerst mehrmals die Mitte und nachdem er sie erreicht hat, führt er wieder nach außen. Auf das Leben übertragen bedeutet das: Ziele zu erreichen ist nicht das Ende des Weges, sondern nach den erreichten Zielen steht noch ein weiterer Weg an, der mit neuer Perspektive den alten Spuren folgt. Damit kann sich der Blick auf innere Dinge richten, die noch verwandelt und integriert werden sollen.“

„Das Leben lädt ein, als Schöpfer und Schöpferin zu agieren, zu träumen, aufzubrechen, zu gestalten, zu beenden, zu formen, zu versuchen, zu planen, umzusetzen.“

Das Leben ist ein beständiges Gehen im Labyrinth.
Ankommen und Aufbrechen,
zur Mitte finden und sie wieder verlassen.
Sich wenden müssen und doch immer weiterkommen.

 

 

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