Der buddhistische Pilgerweg der 88 Tempel auf der Insel Shikoku in Japan war bereits 2015 mit dem Kennenlernen von 29 Tempeln unser Ziel. In diesem Jahr nun vervollständigten meine Frau und ich diese „Runde“ mit einer großen Reise und dem Besuch von 59 Tempeln.

Pilgerweg der 88 Tempel.

Neben diesen schon sehr religiös geprägten Einheiten blieb aber in den vier Wochen genügend Zeit, „Land und Leute“ etwas kennen zu lernen.

Reiseweg mit Schwerpunkten.

In diesem ersten Reisebericht – weitere werden sicherlich folgen – beginnen wir an der Süd-West-Spitze von Shikoku in der Präfektur Ehime am Pazifischen Ozean: Kap Ashizuri.

1. Kap Ashizuri

 

Beate schreibt hierzu:

„Die Fahrt von Kochi zum südlichsten Punkt von Shikoku, Kap Ashizuri, ist an einem perfekten Tag. Strahlend blauer Himmel, 28 Grad, leichter Wind, tiefblau der Pazifik, schöner hätte es nicht sein können. Immer wieder machen wir kurze Fotostops, einmal suchen wir in der Gegend von Shimanto eine typisch japanische Raststätte auf, ein großer Parkplatz und daran mehrere Geschäfte mit Produkten aus der Region, unzähligen Automaten und erstklassige Toiletten, alles durch Dächer miteinander verbunden und so auch an heißen Tagen angenehm. Immer zu finden ist eine Gärtnerei mit Gemüsepflanzen und Blumen. Sonntags ist so ein Rastplatz ein beliebtes Ausflugsziel für Familien, in der Woche Treffpunkt für die ältere Bevölkerung.

Dass es auch andere Tage gibt, an denen der Pazifik kein strahlendes Urlaubsparadies ist, darauf weisen die riesigen Bollwerke aus Steinen und Beton gegen Taifune und Tsunami hin. Die ganze Südküste entlang stehen in kurzen Abständen Warnschilder: „Tsunami estimated inaudation area“ und Stahlplattformen, auf die man sich im Ernstfall in 10 Metern Höhe retten kann.

 

Am Kap Ashizuri, das als Nationalpark ausgewiesen ist, zeugen die steil aufragenden, teils vom Meer ausgehöhlten bis zu 80 Meter hohen Felsen von dieser Kraft. Die Vegetation ist üppig subtropisch, im botanischen Garten kann man einen kleinen Urwaldspaziergang machen, umgestürzte Bäume versperren den Weg, Schlingpflanzen hängen herab und exotische Vogelstimmen sind zu hören. Gleichzeitig hat man über den WiFi-Walker vom Hotel Kontakt mit dem Rest der Welt. Unterhalb vom Leuchtturm an der nun wirklich südlichsten Spitze von Shikoku genießen wir den Blick auf den Pazifik. Der nächste Kontinent ist Australien."

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Zum Video:

(Ton beginnt nach ~ 30 sec.)

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2. Taiko Musik in der Elementarschule von Ashizuri

Gruppenfoto.

Beate schreibt hierzu:

In der Mittagshitze machen wir uns auf den Rückweg, kommen am Friedhof vorbei und gehen an der Rückseite eines Schulgebäudes entlang. Die Fenster der Turnhalle stehen offen, drei Lehrerinnen sitzen auf dem glänzenden Parkettboden, einige Taiko-Trommeln sind zu sehen. Wir begrüßen uns gegenseitig und nach kurzem Zögern tue ich in einfachem Japanisch unser Interesse an den Trommeln kund, worauf wir eingeladen werden, herein zu kommen. Schuhe aus, Slipper an und schon stehen wir in der Turnhalle. Ich erzähle, woher wir kommen, dass wir auf dem 88 Tempel Pilgerweg sind und dass wir Kirchenmusiker sind und die japanische Trommelmusik sehr mögen. Ganz spontan holen die Lehrerinnen alle 20 Schüler der Elementarschule (1.-6. Klasse) und den Direktor zusammen. Nochmal gegenseitiges Vorstellen und Begrüßen. Dann bekommen wir ein Taiko-Konzert geschenkt, in der Mittagspause, und jede Schülerin, jeder Schüler gibt alles, um uns zu beeindrucken. Am Ende haben wir Erwachsenen, auch die Lehrerinnen und der Rektor, Tränen in den Augen. Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit an dieser Schule werden wir lange in Erinnerung behalten!

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Zum Video:

(Zu Beginn führen einige Fotos ein. Ton beginnt nach ~ 60 sec.)

ありがとうごやいました!

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3. Tempel 38 Kongoufuku-ji

Religiöser Hintergrund

Der Schwerpunkt der 88 Tempel beruht auf dem Shingon-Buddhismus („Schule des wahren Wortes“), der von dem Mönch Kukai im 9. Jahrhundert nach Japan gebracht wurde. Der japanische Mönch lernte als 30 Jähriger in China den Buddhismus kennen und kehrte nach seiner Initiation nach Japan zurück und etablierte dort den Shingon Buddhismus.

Wesentliche Annahme und Zielausrichtung: Der Mensch hat die Möglichkeit durch eine esoterische Praxis, vor allem Gebete, im Leben bereits Buddha zu werden.

So erlebt man viele Pilgergruppen und auch Einzel-Pilger beim Gebet vor oder im Haupttempel oder Nebentempel. Dabei wird immer ein besonderes Gebet in meditativer Weise gesprochen, rhytmisch rezitiert, das sog. Herz Sutra. Das Herz Sutra, jap. Hannya shingyō, bezeichnet das „Herzstück“ des Sutras der Höchsten Weisheit.

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Zum Video:

(Ton beginnt nach ~ 40 sec.)

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Herz Sutra Hannya shingyō

Deutsche Übersetzung

Kannon Bosatsu versenkte sich tief in  Hannya Bosatsu (transzendente vollkommene Weisheit) und erkannte, dass die Fünf Skandhas alle leer sind. So überwand er Mühsal und Pein.

Oh, Meister Shari, Form ist nicht verschieden von Leere, Leere ist nicht verschieden von Form. Daher ist Körper Leere und Leere ist Körper. Ebenso verhält es sich mit Gefühl, Vorstellung, Wille und Wahrnehmung.

Oh, Meister Shari, alle Dharmas sind leer. Ohne Entstehen und ohne Vergehen; ohne Schmutz und ohne Reinheit; ohne Zunahme und ohne Abnahme.

Daher existiert in der Leere keine Form, kein Fühlen, Wahr­nehmen, Wollen oder Denken. Nicht Auge noch Ohr, Nase, Zunge, Körper oder Geist. Weder Farbe noch Ton, Geruch, Geschmack, Berührung oder Gegen­stand. Weder die sichtbare Welt noch die Welt der Vorstellung.“

„Nicht das Nicht-Wissen noch die Aufhebung des Nicht-Wissens; nicht Alter und Tod noch die Aufhebung von Alter und Tod; kein Leiden, kein Ent­stehen, kein Vergehen, kein Weg; weder Erkennen noch Erlangen.“

„Weil Kannon Bosatsu nichts begehrt und sich in Hannya Bosatsu versenkt, ist sein Bewusstsein ohne Hindernisse. Weil ungehindert, ist er ohne Furcht. Fern von allen Illusionen und Träumen meistert er das Nirvana.“

„Die Buddhas der Drei Welten erlangen durch Hannya Bosatsu die höchste vollkommene Erleuchtung..

Höre daher den großen göttlichen Spruch der transzendenten vollkommenen Weisheit, das große Mantra, den unübertrefflichen Spruch, den unvergleichlichen Spruch, der alles Leiden hinwegfegt. Dies ist die Wahrheit, keine Täuschung.

Und so erklärte er das Mantra der höchsten, vollkommenen Erleuchtung und sprach:

Gegangen, gegangen, hinübergegangen, ganz hinübergegangen, oh welch ein Erwachen, alles Heil!

 

Herz Sutra der Höchsten Weisheit

Japanische Abschrift des Herz Sutras, 12. Jh.

Quelle:

Religion in Japan> Texte > Sutra > Hannya shingyo  (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Texte/Sutra/Hannya_shingyo

 

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