Wir bleiben beim „Morgenerwachen“ – aber nun in einem ganz anderen Blickwinkel.

 

Morgenerwachen 31.8.2019

Ausgangspunkt zu der folgenden Betrachtung ist ein Buch von Matthieu Ricard mit dem Titel „Weisheit“. (Knaur Taschenbuch 2013). Im Klappentext steht zum Autor:
Matthieu arbeitete als Forscher auf dem Gebiet der Molekularbiologie, ehe er seine Berufung zum Buddhismus erkannte. Seit 25 Jahren lebt er als buddhistischer Mönch in den tibetischen Klöstern des Himalaya. Er übersetzt Werke aus dem Tibetischen und ist der offizielle Französischübersetzer des Dalai Lama.
Bereits vor nahezu 10 Jahren bekam ich ein Buch vom ihm – „Glück“ – in die Hand, das ich damals mit großem Gewinn für meinen nachfolgenden Inneren Weg las.
Die heutige Anregung bezieht sich auf das Kapitel

´Reflexionen über die Vergänglichkeit und den Tod´

Wenn dieses Leben, das der Wind der tausend Übel peitscht,
Noch fragiler ist als eine Schaumblase auf dem Wasser,
Dann ist es ein Wunder, dass wir nach dem Schlafen
Einatmend, ausatmend, wieder munter erwachen!
Nagarjuna (1.Jh.)

Wie der Strom schnell in Richtung Meer fließt,
Wie Sonne und Mond hinter den Bergen des Abendhimmels versinken,
Wie Tage, Nächte, Stunden und Augenblicke dahinschwinden,
So verrinnt das menschliche Leben unerbittlich.
                        Padmasambhava (8.-9.Jh)

Im Frühling keimt die Saat,
im Sommer wandeln sich die Triebe zu Stängeln, Blättern und Blumen,
im Herbst ist die Ernte gereift und wird eingefahren,
und im Winter wird der Boden für die kommende Jahreszeit vorbereitet.

Der Mond nimmt im Lauf des Monats zu und wieder ab,
die Sonne geht an einem Tag auf und wieder unter:
Alles ist fortwährend im Wandel.
            Dilgo Khyentse Rinpoche (1910-1991)

 

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Zur Betrachtung

In der folgenden Betrachtung achten wir zeitlich besonders gestreckt auf das Ausatmen – die Abenddämmerung und auf das Einatmen – das Morgenerwachen, dazwischen leicht betont als Zäsuren Nacht und Tag – alles immer wieder anders.
In dieser Form der Meditation kann das Vergängliche ins Bewusstsein kommen. Alles ist im Fluss – nichts bleibt. Weil alle Dinge unbeständig sind, ist jedes „Anhaften“ an ihnen vergeblich und führt zu Leid.
Ausatmen und nicht mehr Einatmen - gleichsam Metapher für den Tod. Auch unser Leben ist begrenzt. Nur eines ist gewiss: der Tod. Die Stunde kennen wir nicht.

Jeder Moment unseres Lebens ist unendlich kostbar.
Dennoch lassen wir die Zeit, die uns noch bleibt, wie Goldstaub zwischen den Fingern zerrinnen.
Seien wir so klug und entschließen wir uns, es bestmöglich zu nutzen –
zu unserem eigenen Wohl wie auch zum Wohl der anderen.

(Matthieu Ricard)

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Psalm 90. Der ewige Gott – der vergängliche Mensch

Zum Staub zurückkehren lässt du den Menschen, *
du sprichst: „Kommt wieder, ihr Menschen!“
Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag,
der gestern vergangen ist,
wie eine Wache in der Nacht.

Du raffst sie dahin, sie werden wie Schlafende. *
Sie gleichen dem Gras, das am Morgen wächst:
Am Morgen blüht es auf und wächst empor, *
am Abend wird es welk und verdorrt.

Unsere Tage zu zählen, lehre uns! *
Dann gewinnen wir ein weises Herz.

(aus den Messtexten des 23. Sonntags im Jahreskreis, 8.9.2019)

 

Buchtitel

 

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