Freitag, 22. September 2017. Herbstbeginn und ein ebenso schöner Herbsttag. Vormittags war ich noch zu einer Beerdigung auf dem Friedhof und am Nachmittag auf dem sonnenbeschienenen Balkon. Eine Dahlie zog dabei meine volle Aufmerksamkeit auf sich.

Das Betrachten der Jahreszeiten kann unser Herz berühren. Wenn sich im Frühling die ersten hellgrünen Knospen zeigen, können wir die Kraft des Lebens spüren, länger werdende Tage lassen uns das Leben intensiver genießen, warme Sommertage können uns mit kindlicher Freude erfüllen. Wenn dann die Tage wieder kürzer werden, die Felder abgeerntet sind und die ersten Morgennebel aufziehen, beginnt das Laub, sich zu verfärben, der Herbst hat begonnen. In die Freude über das wunderschöne Farbspiel von Blättern und Herbstblumen mischt sich Wehmut über das Vergangene und das Wissen um den Winter mit seinen gedeckten Farben. Der stete Wechsel zwischen Wachsen und Blühen und Vergehen erinnert uns an unsere Vergänglichkeit, auch in unserem Leben gibt es Zeiten der Blüte und Zeiten der Zurückgezogenheit und Kargheit. Das Auskosten dieser Zeiten im Betrachten der Jahreszeiten will uns zu einer größeren Tiefe im Erleben, Erinnern und Hoffen führen.

Dabei mag die Betrachtung einer Dahlienblüte eine Hilfe sein.

Dahlie zum Herbstbeginn.

Dahlien

Wenn Sommer sinkt -
und Herbst schon leise
naht auf unverwechselbare Weise,
er aus dem reichen Blumenflor
sich just die Dahlie auserkor,
sie in den Gärten
kräftig-bunt zu schmücken.

Wir trinken ihre Schönheit mit den Blicken,
jetzt, wo das Jahr sich bald vollendet
und Herbst noch einmal alles bunt verschwendet,
uns alles schenkt, was er an Farben hat,
und malt es auf das Dahlienblütenblatt.

Noch siehst du pralles Lila, Honigbraun,
auf goldnes Gelb die Augen schau’n,
auf Pink, Zinnoberrot,
auf diese ganze Regenbogenpracht!

Halt im Gedächtnis fest sie - über Nacht
kommt jener Stärkere, der Frost,
sie sterben, eisig weht der Wind von Ost.

Und wenn Natur sich bald vollendet,
all ihre Pracht an uns verschwendet -
tu es ihr gleich, mein Herz,
verschenk’ auch du,
was du zu schenken hast -
und danach komm’ zur Ruh’.

Erika Mörs

 

Der September

Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.

Erich Kästner

Eine Heuschrecke nagt bereits an der Dahlie ...

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